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Kurzgeschichte
„24

„Klaus, komm da raus!“, rief das Räuchermännchen Ralle.
„Ich gehe nirgendwo hin!“, donnerte es durch die dünne Pappwand des Adventskalenders.

„Wovor hast du so große Angst?“, probierte das Männchen weiter sein Glück.

„Wenn mich das Mädchen zu fassen kriegt und ich in ihren kleinen warmen Händen liege, schmelze ich!“, brüllte er, „Verstehst du? Dann war’s das! Arrivederci, Tschüssikowski, Tschö mit Ö.

Ralle drehte sich zur Puppenmutter: Sollen wir ihm verraten, dass die Hände nicht sein größtes Problem sein werden?
Die Mutter lachte und hielt den fragend schauenden Puppenkindern die Ohren zu.

Das Mädchen ist mit ihren Eltern zur Kirche gegangen, besänftigte Ralle den Insassen,
Sie sah traurig aus.

Das ist mir wurscht!, regte sich Klaus auf, Sie hat das Lied ‘Ihr Kinderlein kommet’ zu wörtlich genommen. Sie saß vor meiner Tür, um mich mürbe zu singen, während sie versuchte einzubrechen. Aber nicht mit mir! Ich habe lautstark ‘Ihr Kinderlein gehet’ geantwortet und hielt fest meine Tür zu.

Der Adventskranz, dessen Nadelkleid auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, mischte sich ein: Wir fackeln den Kalender ab. Dann hat die ganze Diskussion hier ein Ende. Und die Puppenkinder können sich am Feuer wärmen.

Interessante Idee, grübelte die Puppenmutter und sah in die weit aufgerissenen Augen ihrer Kinder, Bei den gestiegenen Energiekosten sollten wir zumindest darüber nachdenken.

Ein Feuerwehrauto, das hinter dem Sofa stand, schmiss den Motor an und raste im Affenzahn zum Kalender. Der Feuerwehrmann Frank stieg hastig mit erhobenem Zeigefinger aus. Morgen Kinder wird’s was geben!, fegte seine Stimme durch das Wohnzimmer.
Was werden hier für gefährliche Pläne geschmiedet? Hört auf damit!

Er fuhr die Drehleiter aus und erklomm geschwind die Sprossen hinauf bis zum Türchen.
Hier ist kein Feuer, stottere Klaus, Geh weg!

Klaus, bei dir brennt’s im Kopf, rief Frank durch die Perforation des Kalenders, Das ist viel gefährlicher.

Der Feuerwehrmann rutschte die Leiter hinab und rannte unter den Weihnachtsbaum. Ihm war klar, dass stärkere Geschütze aufgefahren werden mussten.

Es galt, die Situation zu entschärfen.

Am Vormittag hatte er beobachtet, wie der Vater die Geschenke einpackte. Daher wusste er genau, was sich hinter dem Geschenkpapier verbarg.
Er nahm das kleinste Paket in die Hand und riss das Papier in einem Zug ab.

Ein Star Wars Lego Set kam zum Vorschein. Er schnappte sich das Laserschwert, klemmte es sich unter den Arm und rannte zurück zu Klaus.

Geh bitte einen Schritt zurück, Klaus, ich will dich nicht verletzen.
Lass mich!, schimpfte er.
Na, dann renn doch weg!, schmunzelte Frank.

Kurz darauf scharten Stiefel hinter dem Türchen. Frank schaltete das Laserschwert ein und führte es mit ruhiger Hand entlang des Türrahmens.
Es knisterte und zischte. Rauch stieg auf und es roch verkokelt.

Das Türchen fiel zu Boden.

Da stand er, der Schokoladen Weihnachtsmann. Und schaute mit schlotternden Knien tief in den Abgrund.

Die Puppenkinder stellten sich unter ihm in einem Kreis auf und hielten zwischen ihren Händen ein stramm gezogenes Stofftaschentuch.
Spring, Klaus!, forderten sie den Verängstigten auf, Wir lassen dich nicht fallen.

O du fröhliche, stammelte er sich Mut zu und sprang.

Die Kleinen hielten Wort und er landete so sanft, dass lediglich ein kleines Stück mitten aus seiner Mütze brach.
Ehe er sich versah, stibitzte Frank es und schob es genüsslich in den Mund.

Mein Lohn für deine Rettung, mümmelte er zufrieden. 

Der Weihnachtsmann überhörte den Kommentar. Er war zu sehr damit beschäftigt, seine Mütze abzutasten. Ich habe ein Loch im Kopf, stellte er erschrocken fest.

Ralle kam zu ihm geeilt. Das Männchen holte tief Luft und pustete Rauch durch Klaus’ Mütze.
Die Puppenkinder prusteten los, bei dem Versuch ihr Lachen zu unterdrücken.

Hier mein Freund, sagte das Räuchermännchen schließlich, Ich habe eine Wäscheleine beim Puppenhaus abgezogen. Konzentriert fädelte er die Schnur durch das Loch.
Willst du mich erhängen?, bölkte Klaus.
Nein, besänftigte ihn sein Helfer, warte ab und knotete die Fadenenden zusammen.

Ehe Klaus sich versah, warf Ralle ihn auf das immer noch stramm gezogene Taschentuch der Puppenkinder. Diese durchschauten das Vorhaben des Räuchermännchens und katapultierten Klaus schnurstracks am Weihnachtsbaum hoch.

Nach unzähligen Überschlägen und Huiiiiiiiiis, baumelte Klaus am Ast. 

Es ist super hier oben!, staunte er, „Und total nachhaltig. Die Familie kann mich alle Jahre wieder an den Baum hängen.

Die Wohnzimmertür ging auf.

Das gesamte Spielzeug erstarrte wie auf Knopfdruck.

Das kleine Mädchen rannte zum Kalender. Sie stemmte die Fäuste in die Taille.
Die 24 fehlt!, schnaufte sie und trat kräftig gegen den Weihnachtsbaum. 

Er begann sich zu drehen. Klaus flog dabei an seiner Schlaufe wie ein Fähnchen im Wind hin und her.

Als seine unfreiwillige Karussellfahrt endete, war er erleichtert, dass der Baum noch stand.
Und er noch hing.

Aber irgendetwas stimmte nicht.
Es roch plötzlich anders.
Nach Schokoladenfondue.

Klaus sah runter.
Verdammt, stöhnte er, Die Heizung.