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Kurzgeschichte
„Die Panflöte Pablo

Die Flöte lag mitten in einer Schlammpfütze. Ihre zarten Röhrchen waren von der braunen Suppe durchtränkt. 

Seit einer gefühlten Ewigkeit war sie im dunklen Nass gefangen, so dass langsam aber sicher die Kälte in ihr hoch kroch.

Plötzlich hörte sie ein Rascheln. „Um Himmels Willen!“, sagte eine Stimme hinter ihr. „Wollte dich jemand ertränken?“, fuhr sie fort, „Oder störe ich dich bei einer Schlammpackung?“

Die Flöte drehte sich um und sah in zwei braune Knopfaugen. „Wer bist du?“, fragte sie, während ihr Holz leise knackte. „Ich bin die Mongolische Rennmaus Manfred“, antwortete ihr Gegenüber.
„Und wie heißt du?“

„Ich bin Pablo.“
„Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor“, grübelte die Maus und kratzte sich am Hinterkopf, „Malst du?“
„Nein, ich bin ein Musikinstrument.“

„Ich glaube dir das jetzt einfach mal! Erkennen tue ich es nämlich nicht unter deiner Schlammmaske“, lachte Manfred und trommelte sich mit den Mäusefäustchen gegen die Brust. „Ich ziehe dich da raus!“

Noch ehe die Panflöte darüber nachdenken konnte, ob ihr Retter vertrauenswürdig sei, näherte sich dieser schnurstracks. Um den Hals trug er einen Schal aus dickem Schnürsenkel. 

Er wickelte ihn ab und band ihn behutsam um Pablo. Mit großen Sprüngen hüpfte er aus der Pfütze und zog die Flöte hinter sich her.

Auf dem Trockenen angekommen, strich sich Manfred die Plörre aus dem Fell. Mit angewidertem Gesichtsausdruck holte er tief Luft und blies mit voller Kraft den Matsch aus einem der Röhrchen.
Die begleitende Geräuschkulisse erinnerte ihn an eine Magen-Darm-Verstimmung. 

Die Optik auch.

„Du bist mein Retter!“, bedankte sich der Besudelte.

„Keine Ursache, mein Lieber“, sagte die Maus und musterte ihn mit gespitzter Schnute,
„Woher kommst du? Ich habe dich im Wald noch nie gesehen.“

„Ich gehöre dem Rohrflöten-Ensemble des Schlosses an. Als wir heute früh eine Probenpause machten“, Pablos Stimme begann zu zittern, „griff Prinz Paul nach mir und verschleppte mich in seine Kutsche.“ 

„Das ist nicht dein Ernst!“ Manfred fiel die behaarte Kinnlade runter.

„Er machte einer jungen Dame seine Aufwartung, indem er sie mit mir musikalisch beeindrucken wollte.“

„Lass mich raten“, tippelte Manfred mit der Kralle, „Der Schuss ging nach hinten los.“

„Das kannst du laut sagen! Er pfiff so kräftig in meine Röhrchen, dass das Ergebnis einer tonlosen Sintflut gleichkam. Seine Angebetete war kilometerweit davon entfernt, beeindruckt zu sein.“

Manfred hatte das Bedürfnis, Popcorn zu holen. 

„Sie zog ihren edlen Handschuh aus und schallerte dem Prinzen damit eine. Dabei flog ich im hohen Bogen aus dem Fenster“, erzählte Pablo aufgewühlt.

„Und der Handschuh hinterher“, kommentierte die Maus und hob das verdreckte Stück Stoff auf.

„Es tut mir leid, dass du gekidnappt wurdest.“ Manfred setzte Pablo auf den Handschuh und band ihn mit dem Schnürsenkel daran fest. „Ich bringe dich zurück zum Schloss.“ Die Flöte lächelte und die Maus begann, entschlossen ihren neuen Freund in Bewegung zu setzen.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. 

Als die beiden am Schloss ankamen, folgten sie dem Klang der Musik. Unter einem geöffneten Fenster machten beide halt. Manfred hob einen Kiesel auf und schmiss ihn mit Schmackes in den Raum.

Die Musik verstummte.

Eine Querflöte kam ans Fenster und sah auf die beiden herab: „Pablo, du alte Längsflöte!“, begann sie pikiert, „Warst auf´m Swutsch? Hätte nicht gedacht, dass du den Rückweg findest. Du bist schließlich hohl!“

„Kein Grund, persönlich zu werden, Ursula“, verteidigte sich die Flöte, „Ich bin nicht aus irgendeinem Holz geschnitzt, sondern etwas ganz besonderes!“
„Genauso ist es, mein Freund“, feuerte Manfred ihn an, „Zeig´s ihr!“, und ballte seine Fäustchen zum Kampf.

„Pablo, du alter Fotzhobel!“, lallte eine dunkle Rohrflöte neben Ursula, „Du bist ja ganz braun! Hast’ dich eingeschissen?“

„Das reicht!“, brüllte die Flöte aus allen Rohren. „Wenn ihr mich nicht wertschätzt, könnt ihr mir gestohlen bleiben!“

Die Querflöte nickte und knallte das Fenster zu. 

Manfred schaute seinen Freund von der Seite an: „Das war sehr mutig von dir!“
„Mag sein“, entgegnete dieser, „Aber was wird jetzt aus mir?“ Tränen tropften aus den Röhrchen.

„Du gehörst ab heute zu meiner Sippe!“, sagte sein neuer Freund und putzte ihn ausgiebig. 

„Und du musst mir beibringen, auf dir zu spielen. Ich bin zwar nicht sonderlich musikalisch und kann dir nicht dein Ensemble ersetzen, aber wir könnten zusammen ein klangstarkes Duo sein.“

„Das klingt nach einem großartigen Plan!“, flötete Pablo, „Und wenn wir auf Tour gehen, bin ich nachts das Dach über deinem Kopf.“

„Du steckst voller Überraschungen“, gluckste die Maus und stupste ihn an, „Meine kleine Zauberflöte.“

„Und wie nennen wir uns?“, fragte Pablo.

„Die Panikflöter – Wir flöten die Katze aus dem Haus, sodass die Mäuse auf dem Tisch tanzen können.