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Kurzgeschichte
„Die Wanne ist voll“

„Du bist aber voll!“, stellte Freddi belustigt fest und sah Elisabeth dabei prüfend an. „Eichhörnchen, was willst du?“, entgegnete sie daraufhin mit schwerer Zunge. Freddi runzelte seine behaarte Stirn.

„Ich bin ein Horn und kein Hörnchen!“, stellte er klar, „immerhin mache ich zweimal die Woche Karate und habe den schwarzen Gürtel.“ Elisabeth kommentierte spitzfindig: „Den du offensichtlich gerade trägst, du Angeber.“

Sie verdrehte genervt die Augen und holte tief Luft: „Du sagst, ich bin voll? Recht hast du, mein niedlicher Gefährte!“ Elisabeth musterte das Eichhorn kritisch mit halb geöffneten Augen von oben bis unten.

„Aber jetzt frage ich dich: Was ist falsch daran?“ Ein Schluckauf gefolgt von einem missglückten Zwinkern begleiteten ihre Frage.

Freddi stemmte energisch die Fäuste in seine schmale Taille und sprang mit einem Satz auf den Badewannenrand.
„Du bist eine Badewanne, Elisabeth! Du solltest Menschen entspannen! Eine Wohlfühloase sein.“

Sie konterte: „Das war auch mein ursprünglicher Plan, du Wuschelhorn. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass der letzte Gast ein Champagnerbad nehmen würde. Ich habe ja schon viel erlebt in meinen achtzehn Jahren als festangestellte Badewanne in diesem großen Hotel. Aber dass ich mit Alkohol abgefüllt werde, das ist selbst mir neu.“

Das Problem war, dass der Gast vergessen hatte, nach dem Baden den Stöpsel zu ziehen. Somit wippte der Alkohol seither fröhlich weiter durch die Wanne. Sie selbst konnte den Stöpsel natürlich nicht ziehen. Badewannen haben schließlich keine Arme.

„Freddi, du musst mir irgendwie helfen!“ Elisabeth wackelte nervös mit ihren goldenen Armaturen. „Lass dir etwas einfallen, du hast schließlich das Wald- und Wiesenabitur.“

Nachdenklich lief das Eichhorn mehrere Runden über den Wannenrand, bis es nach einiger Zeit abrupt stehen blieb und erleichtert mit den Fingern schnippte.
„Ich habe eine Lösung!“ Elisabeth grinste ihn an, wobei Freddi sich nicht sicher war, ob sie dies aus Erleichterung tat oder weil sie einen sitzen hatte.

Das Eichhorn sprang auf den Waschtisch und nahm eine kleine Seifenschale huckepack. Aus der Besteckschublade sammelte Freddi anschließend noch einen Teelöffel ein. Die Schale ließ er behutsam auf den Champagner gleiten und nahm kniend auf ihr Platz. Den kleinen Löffel funktionierte er kurzerhand zum Ruder um.

Vorsichtig und etwas unbeholfen paddelte er in Richtung Stöpsel. Als sich dieser unmittelbar unter ihm befand, lockerte er seinen Karategürtel und holte einmal tief Luft. Freddi tauchte zum Stöpsel hinab, band den Gürtel an ihm fest und schwamm mit dem anderen Ende in der Hand zurück an die Oberfläche. Es ertönte ein lautes „FLOPP“ und der Stöpsel war gezogen.

Literweise schoss der Champagner durch den Ausguss der Wanne. Freddi musste sich beeilen, um noch rechtzeitig aus der ernüchternden Wanne zu springen. Ehe sie beide sich versahen, war Elisabeth wieder leer.

„Danke, Freddi. Du bist ein wahrer Freund!“, strahlte sie ihn an. „Kannst du mir morgen Nachmittag wieder helfen? Ich bin als Schlammbad gebucht. Das wird ein großes Spektakel.“

„Und eine riesige Sauerei“, ergänzte Freddi leise, während er ihr lächelnd zunickte.