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Kurzgeschichte
„Erika“

„Erika, komm da raus!“, rief der Weihnachtsmann, „Was machst du denn da?“
Sie hob in Zeitlupe den Deckel des Geschenkkartons an und schob ihre winzige Nase durch die Luke: „Ich dachte du merkst nicht, dass ich weg bin.“

Der Weihnachtsmann kam näher. Er nahm den Deckel ab und setzte sich die Ausreißerin behutsam auf die Handfläche. „Ich brauche dich hier, du Dölmer. Du bist doch meine Mitarbeiterin des Monats.“ Er zeigte auf ein eingerahmtes Foto an der Wand und tätschelte liebevoll ihr Haar.

„Und wie hättest du dein Porto bezahlen wollen? Du besitzt Murmeln, kein Geld.“

Erika stand auf und stemmte die Fäustchen in die Taille: „Rudolph hat vom letzten Jahr noch Trinkgeld über. Er würde meine Reise bezahlen. Somit hätte ich keinen Platz in deinem Schlitten weggenommen.“ 

„So so“, schmunzelte der Weihnachtsmann, „Ihr zwei steckt unter einer Decke. Das hätte ich mir denken können, bei der vielen Zeit die ihr miteinander verbringt.“

Erikas Ohrspitzen erinnerten an kleine lodernde Flammen.

„An wen wolltest du dich denn verschenken, meine Kleine?“
Die Elfe presste die Lippen aufeinander und sah zu Boden: „An Maja. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seither wohnt sie bei ihrer Tante. Und alles, was sie sich dieses Weihnachten wünscht, ist ein Freund.“

Der Weihnachtsmann strich sich den Bart. „Dein Vorhaben ist edel, aber wir finden bestimmt ein anderes Geschenk für Maja.“

Er setzte die Elfe auf den Boden.
Widerwillig tapste sie ihm ins Hochregallager hinterher. 

„Wie wäre es damit“, schlug er vor und zeigte Erika einen Plüschbären. „Den kann Maja kuscheln und liebhaben.“ Die Elfe schüttelte energisch den Kopf: „Aber er kann nicht auf ihre Fragen antworten. Und vertrau mir, sie wird welche haben.“

„Verstehe“, entgegnete er knapp und suchte weiter. Er hielt der Elfe eine Puppe auf einem Pinkelpott unter die Nase.

„Dein Ernst?“ Erika zog die Augenbrauen hoch. „Da kräuseln sich mir ja die Elfenhaare.“
„Die Puppe kann sprechen“, erklärte er.

„Nur weil sie das kann, heißt es noch lange nicht, dass sinnvolle Sätze aus ihr rauskommen.“
Erika sah die Puppe an: „Wohnen Majas Eltern im Himmel?“, und drückte ihr auf den Bauch.
„Putz mir den Po ab!“, antwortete diese mechanisch.

„Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen, oder?“, sagte die Elfe und tippelte mit ihrem Fuß.

„Okay“, flüsterte der Weihnachtsmann und schnaufte, „Mein letzter Versuch.“ 

Er griff eine glänzende Trompete aus dem Regal und blies so kräftig hinein, dass Erika die Ohren anlegte. „Maja ist sieben“, rief sie, “Wir wollen etwas für und nicht gegen sie tun. Oder willst du alle in ihrem Umfeld verscheuchen?“ Sie zeigte süffisant auf eine Triangel: „Die wäre okay.“

Der Weihnachtsmann lachte und Erika sah unendliche Güte in seinem Blick.
„Na gut“, lenkte er schließlich ein, „Du hast gewonnen, mein kleiner Wildfang.“

Gemeinsam gingen sie zurück zum Geschenkkarton.

Er hob Erika hinein, verabschiedete sich und stellte ihn auf den Schlitten.
„Was ist das für ein Paket, Boss?“, rief ein Elf.

„Eine Eillieferung“, antwortete der Weihnachtsmann und startete den Schlitten.