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Kurzgeschichte
„Frischer Wind in Flatulenzia

Den Bewohnern des kleinen Dorfes Flatulenzia, nicht unweit von Venedig entfernt, wurde abends ein besonderer Ohrenschmaus geboten. Dieser kam weder aus dem Radio, noch entsprang er einem liebevoll gespielten Instrument.

Er fand seinen Ursprung in den melodischen Winden, die sich allabendlich ihren Weg durch die Gassen bahnten.

Sie erklangen, wenn die Sonne am Horizont zum Abschied winkte und die Dämmerung damit begann, ihren Mantel auszubreiten.

Der Komponist dieser musikalischen Untermalung war Franz, der Nachtwächter.

Franz war klein und führte stets eine Leiter mit sich, die er präzise an jede Laterne lehnte.
Das darauf folgende Prozedere war stets gleich: Mit einer kleinen Öllampe erklomm er die Sprossen, zog geschwind seine Hose unter die Pobacken und furzte liebevoll in die Flamme seines Lämpchens.

Eine beeindruckende Stichflamme sagte klangstark `Hallo`, bevor sie auf den Docht der großen Laterne übersprang.

Kinder tummelten sich hinter Wohnzimmer-Vorhängen, um einen kurzen Blick auf dieses Spektakel zu erhaschen, während es für ihre Eltern das Zeichen war, ihre Arbeit niederzulegen um heimzukehren.

Doch an diesem Abend warteten alle vergebens auf die Winde, denn Franz war abgelenkt.

Gerade stieg er die Leiter zur ersten Laterne hoch und wollte sich ans Werk machen, da hielt er inne: Eine imposante Erscheinung schritt von Laterne zu Laterne die Gasse hinauf. Mit purer Eleganz, wie er fand. Begleitet von einer wundervoll hell klingenden Melodie furzte sie mühe- und geruchlos jede Laterne an.

Sogar die Blumen, die drumherum standen, lächelten beeindruckt und machten große Augen, statt wie sonst einzugehen.

Schnell zog Franz die Hose hoch, kletterte die Leiter hinab und rannte zu ihr rüber. Diesem Schauspiel musste er auf den Grund gehen.

Angekommen stellte er überrascht fest, dass die Erscheinung deutlich größer war als er.
Und eine Frau.

„Hey, was machst du da? Das ist mein Job!“, rief er empört.
„Du musst Franz sein. Ich bin Viola!“, entgegnete die Frau freundlich.
„Dir werden starke Blähungen nachgesagt“, führte sie ohne Umschweife fort.

Franz schluckte: „Ja, die habe ich! Aber schämen tue ich mich nicht dafür. Anstatt, dass dabei meine Tapeten von der Wand kommen, gehe ich lieber raus und tue damit etwas Nützliches. Die Laternen müssen schließlich entzündet werden. Sonst weiß hier doch keiner wann der Abend beginnt. Die meisten Bewohner sind nicht so helle, musst du wissen. Das Dorf verlässt sich auf mich!“

„Ich will dir deine Aufgabe gar nicht streitig machen, lieber Franz. Ich möchte dir helfen! Für die starken Blähungen kannst du nichts. Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen. Doch du trägst ein weiteres auf deinem Rücken. Ich beobachte dich seit einiger Zeit. Dein schmerzverzerrtes Gesicht beim ständigen Hose hoch-, Hose runterziehen blieb mir nicht verborgen.“

Offen mit seinen Blähungen umgehen, das war eine Sache. Aber zuzugeben, dass bei ihm der Verschleiß einsetzte? Das war zu viel für Franz.

Er wich vor Viola zurück und spürte die Wärme in seinen Wangen hochsteigen.
Der kleine Mann hockte sich geschwind auf das Kopfsteinpflaster und furzte die Melodie von „Wind of Change“. Jede Menge Dreck wirbelte dabei vom Boden hoch. Fix umhüllte ihn die daraus entstandene Staubwolke. Viola sollte auf gar keinen Fall seine Schamesröte sehen.

Gelassen trat sie in die geruchsintensive Wolke und wedelte mit flacher Hand den Staub beiseite, bis Franz wieder zum Vorschein kam. Verunsichert schaute er zu ihr auf: „Deine Melodien sind viel höher und fröhlicher als meine. Mich will bestimmt bald keiner mehr hören!“

„Oh doch, das wollen sie! Meinst du den Bewohnern geht es nur um die Töne? Es geht um dich! Um deine Person. Sie lieben dich! Du bist hier in all den Jahren zu einer Institution geworden. Wo ich hinhöre, wird von dir geschwärmt!“

Die Blumen am Wegesrand nickten – wenn auch etwas verhalten – und Franz sah geschmeichelt zu Boden.

„Ja meinst du?“, lächelte er hoffnungsvoll, „Dann kann ich es dir ja ehrlich sagen: Viola, du bist eine wahre Virtuosin! Wie du das Hohe C erreichst. Einfach beeindruckend!“

Die Frau schmunzelte und legte ermutigend eine Hand auf seine Schulter:
„Was hältst du davon, wenn wir künftig gemeinsam die Laternen entzünden? Deine tiefen Melodien begleiten perfekt meine hohen. Und an Feiertagen versuchen wir einen Kanon!“

Franz nickte zufrieden.

Aus den Ecken der Gassen kamen langsam die Anwohner zum Vorschein; neugierig hatten sie dem Gespräch der beiden gelauscht.

Franz und Viola bemerkten sie und waren sich schnell einig, die Leute gebührend in den Abend zu schicken.

Sie hielten in völliger Harmonie eng ihre Hintern zusammen und zündeten ein Feuerwerk der guten Laune.

Von diesem musikalischen Flatulenzia-Duo sollte in Zukunft noch sehr lange die Rede sein.