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Kurzgeschichte
„Halmö aus Malmö“

Halmö saß alleine im Zugabteil. Seit Stunden war der kleine Strohhalm zwischen Schweden und Deutschland unterwegs. Aufgeregt und mit jeder Menge gemischter Gefühle im Gepäck, schaute er aus dem Fenster und ließ seinen Blick über Felder und Wiesen schweifen. Was würde ihn als Austauschschüler wohl erwarten? Würden ihn die anderen mögen und akzeptieren?

Die Tür des Zugabteils öffnete sich und herein hüpfte ein Kugelschreiber mit Schnurrbart und Umhängetasche. „Die Fahrkarten bitte!“, ertönte seine tiefe Stimme. Halmö wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah den Kontrolleur mit großen Augen an.

Schüchtern streckte er ihm das Ticket entgegen. „Kannst du mir bitte kurz auf meine Schaffnermütze drücken, Kleiner?“, fragte der Kontrolleur und beugte sich zum nickenden Halmö herunter. Dieser drückte einmal kräftig auf die Mütze, ein Klicken ertönte und eine blaue Schreibmine kam zum Vorschein.

Der Kontrolleur sprang mit seiner Mine auf das Stück Papier, tänzelte wild darauf herum und sagte zufrieden: „So, ich habe deine Karte abgezeichnet, Kleiner.“

Nachdem Halmö das Ticket wieder in seinem Rucksack verstaut hatte, sah ihn der Kugelschreiber prüfend an und fragte: „Was bist du eigentlich für einer? Du scheinst kein Kugelschreiber zu sein. Nimm es nicht persönlich, Kleiner, aber du bist hohl.“

Halmö schaute an sich herab. „Ja“, gab er zurück, „natürlich bin ich hohl. Wie soll auch sonst aus mir getrunken werden?“ Der Kugelschreiber wackelte amüsiert mit seinem Schnurrbart und kombinierte die Fakten: „Aaaaaah, du bist ein Strohhalm!“ Halmö machte sich länger, als er es eh schon war. „Ja, das ist richtig!“, sagte er. „Ich bin Halmö, ein Halm aus Malmö. Auf dem Weg zu meiner neuen Schule.“

„Bist du aus Plastik?“, fragte der Kugelschreiber leicht argwöhnisch. „Nein, was glauben Sie denn? Ich bin aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt!“, protestierte Halmö. „Das riecht man“, schmunzelte der Schaffner, „und du bist bunt wie ein Regenbogen. Die anderen Schüler könnten dich hänseln. Normalerweise sind Halme einfarbig.“
„Ja, ich weiß“, schnaufte der Halm.

„Sieh es positiv, Halmö“, begann der Kugelschreiber ihn zu ermutigen, „bei einem Schulausflug kannst du vorn die Gruppe anführen. Dich sehen die Autos schnell. Niemand überfährt schließlich einen regenbogenfarbenen Halm.“

Halmö lächelte. „Da haben Sie recht. Ich wurde aber leider auch schon oft deshalb gehänselt“, sagte Halmö und schaute traurig zu Boden. „Die anderen Schüler haben mir einmal unbemerkt einen Zettel auf den Rücken geklebt. Da stand ‚Knick mich‘ drauf.“

Mitfühlend tätschelte ihm der Kontrolleur den Hinterkopf und zog eine Trillerpfeife aus seiner Umhängetasche. „Hier, die ist für dich.“ Er legte sie ihm in die Hand. „Wenn dich die Halme ärgern, pfeifst du einmal kräftig! Somit erschrecken sie sich und du kannst weglaufen um Hilfe zu holen.“ Halmö nickte zögernd und gab zu bedenken: „Aber ist es nicht feige wegzurennen?“ Der Kontrolleur setzte sich neben ihn: „Nein, ganz im Gegenteil! Es erfordert eine Menge Mut sich Hilfe zu holen.“

„Wurden Sie früher auch gehänselt?“, fragte der Halm. „Ja sicher“, antwortete der Kontrolleur. „Ich bin auch kein gewöhnlicher Kugelschreiber, musst du wissen. Ich habe neben meiner blauen Schreibmine, die ich beruflich nutze, auch noch fünf bunte. Daher bin ich ebenso außergewöhnlich wie du. Wir müssen zusammenhalten!“

Halmö nickte und fügte hinzu: „Wenn die Mitschüler erst einmal merken, dass ich genauso liebenswürdig wie jeder andere bin, werde auch ich die Pfeife weitergeben. An jemanden wie uns, der am Anfang etwas Hilfe benötigt, um ein ganz großer zu werden.“

Der Zug hielt, Halmö umarmte den Kugelschreiber zum Abschied und hüpfte fröhlich pfeifend über den Bahnsteig davon. Bereit, sein neues Abenteuer zu beginnen.