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Kurzgeschichte
„Mittsommer

„Du bist schon ganz schön lange da. Weißt du das eigentlich?“
„Das kommt dir nur so vor.
„Ich finde das unfair!“
„Ist es nicht! Ab heute ziehe ich mich langsam immer ein Stück früher zurück und du wirst präsenter.“

„Aber keiner beachtet mich!“
„Ich kann dich beruhigen: Du bist im Prinzip die ganze Zeit da. Nur eben nicht für jeden sichtbar. Was ist denn bloß los mit dir? Wolltest du wieder die Nacht zum Tag machen?“

„Ich habe schlechte Laune!“
„Dafür gibt es keinen Grund. Außerdem kannst du dich im Moment wirklich sehen lassen. Hast ein bißchen abgenommen, oder?“

„Hör auf mir schmeicheln zu wollen! Manche müssen halt etwas für ihr Äußeres tun. Kann ja nicht jeder so strahlen wie du. Und als wenn du damit nicht schon genug gesegnet wärst, sind während deiner Zeit die Menschen fröhlich und genießen ihr Leben in vollen Zügen. Wenn ich an der Reihe bin, steht die Welt still und alle pofen.“

„Sieh es aus einem anderen Blickwinkel!“
„Wie meinst du das? Von hier oben sehe ich ziemlich gut.“

„Nein, ich meine im übertragenen Sinn. Du bist genauso wichtig wie ich. Die Menschen erleben und sammeln täglich die unterschiedlichsten Eindrücke. Somit brauchen sie eine Zeit, in der sie zur Ruhe kommen können. Erlebnisse verarbeiten, um neue Kraft zu tanken. Da kommst du ins Spiel.“

„So habe ich es noch gar nicht gesehen. Das gefällt mir! Weißt du was? Du bist doch gar nicht so übel. Ich würde dich jetzt gerne umarmen!“

„Lieb von dir. Aber lass mal lieber!“

„Hast Recht. Nicht dass wir wieder eine Sonnenfinsternis verursachen.“